Die wichtigste Frage der Welt
Im Folgenden möchte ich auf schnelle Wege zur Befreiung hinweisen und Unterschiede der „Selbste“ beschreiben, auf die man in der Selbstfindung stoßen kann. Warum ist das wichtig? Fehlidentifikation ist eine Wurzel des neurotischen Leidens. Die trügerische Identifikation des Bewusstseins mit einem separierten Selbst führt unausweichlich zu Verdrehung und Leiden. Wer glaubt er sei nurein Person, übersieht die elementare Natur des wahren Selbst. S
Selbsthinterfragung
Die eigentlich wichtigste Frage bleibt bei den meisten Menschen leider nicht nur unbeantwortet, sondern häufig sogar ungestellt: „Wer bin ich?“. Wir reisen bald zum Mars und spalten Atome, aber die innere Welt bleibt für viele unerforscht. Wie kann man aber Erkenntnisse über die Welt erlangen, wenn der Erkennende unerkannt blieb?
Descartes und das Ego
Der berühmte Ausspruch René Descartes „Ich denke, also bin ich“ wurde zum Leitsatz des westlichen wissenschaftlich-rationalen Weltbildes. Die Übersetzung ‘cogito’ mit Denken, halte ich für ungenügend. Aus dem Englischen kennen wir ‘recognition’, was ‘wahrnehmen’ bedeutet. “Ich nehme wahr, meine Sinnestätigkeit geschieht, ich bemerke, das ich denke, also bin ich!”, halte ich für einen Sinnvoller. Ich weiß nicht ob Descartes sich nur mit Denken identifiziert hat, oder ob seine Weisheit absichtlich so eindimensional übersetzt wurde. Ansonsten wird Sein auf Denken reduziert. Wer etwas vertraut ist mit Innenschau/Meditation/Selbstbetrachtung kann beobachten, dass man auch ohne Denken weiter existiert. Man kann wahrnehmen, dass Gedanken beobachtet werden können im Bewusstseinsraum. Wenn Bewusstsein sich allerdings mit Denken identifiziert, entsteht Ego. Ego ist das Resultat einer unbewussten Identifikation mit geistigem Inhalt oder Form. Aus dieser Fehlidentifikation entsteht das Gefühl ein abgetrenntes Selbst zu sein und zahlreiche Folgeprobleme. Ego ist unser konditioniertes Selbst. Es braucht Zeit und Denken, um den Schein der Existenz glaubhaft zu erzeugen und die Aufmerksamkeit von unserem wahren Selbst abzuziehen. René Descartes hat also sein Ego mit seinem Selbst verwechselt und daraus ist eine ganze Weltsicht und Lebensweise entstanden (mehr dazu im Film Samadhi s.u.).
Wissen über mich
Das Erbe von Descartes findet sich heute in endlosen Büchern über Selbstoptimierung und Selbstbewusstsein stärken, etc. Darin wird dann bearbeitet, was meine Stärken sind und was ich eigentlich will u.s.w. Innere Aspekte, wie das innere Kind sollen demnach ständig mit Aufmerksamkeit, Anerkennung und anderen “Bonbons” gefüttert werden. Statt den Fokus auf das “Ich bin” zu lenken, wird weiter mit dem Verstand fragmentiert. Diese Bücher beschreiben nicht mich, sie schreiben über mich, über meine Eindrücke auf mich aus meiner Geschichte, mit denen ich mich identifiziere. Ich heile etwas in mir, was nur illusorisch existiert. Auf der Ebene des Egos ist ein geheiltes Ego natürlich besser als ein gekränktes Ego. Die krankhaften Aspekte des Egos sind wie ein Geist mit Magersucht. Man heilt mühsam die Magersucht, um zu erkennen, dass derjenige, der die Magersucht hat, nur ein Geist ist, also ein falsches Selbst. Das ugeheilte Ego ist der Inbegriff des Leidens. Die Lektüre führt mich nicht in die Selbsterfahrung, aber ich weiß anschließend unglaublich viel über mich. Und damit habe ich dann wieder mein falsches Selbst gestärkt. Ich habe mein Selbstbild bestärkt. Das Ego, also das, was ich denke zu sein, hat die Frage „Wer bin ich?“ frühzeitig abgefangen und, bevor sie in gefährliche Untiefen stoßen konnte, entschärft. Im schlimmsten Fall sagt es sogar, “jetzt weiß ich auch wer ich bin und habe ein Selbsterfahrungsseminar überlebt”. Wissen aus dem Verstand ist etwas völlig anderes als Erkenntnis aus der spontanen Einsicht.
Wahre Natur erkennen
Das Ganze ist in diesem Fall ganz besonders mehr als seine Teile. Der erste Schlüssel zur Selbstfindung ist zunächst mal die Erkenntnis, dass Denken die falsche Instanz ist, um die Frage zu beantworten. Ein zartes Statement des Denkens, wie “Ich kann das nicht erklären”, wäre eine gute und ehrliche Basis. Verstandesdenken kann mich umschreiben und die Erfahrung in Worte packen, aber das Resultat passt niemals in eine Form. Der Buddha hat sich vor 2500 Jahren zur Innenschau hingesetzt mit der Absicht, entweder er erwache vollständig (=erkenne sich selbst) oder er sterbe. Nach circa einer Woche war seine Selbstfindung vollendet. Er hat Erleuchtung erlangt, er hat den Schleier gelüftet und sich selbst erkannt. Im Gegensatz zu Descartes hatte er große Bedenken, wie er seine Erfahrung jemals irgendjemanden vermitteln soll, denn Worte gab es dafür nicht. Sie waren schlechte Umschreibungen für etwas, was nicht in Worte passt. Dennoch hat er es versucht und daraus ist der Buddhismus entstanden.
“Derjenige, den Du suchst, ist derjenige, der sucht.” (Franz von Assisi 1182-1226)
Der Buddha repräsentierte seine Antwort. Er ist zur Antwort geworden. Und das war nicht nur für Menschen spürbar, sogar Tiere fühlten die liebevolle Präsenz des freigelegten Selbst, die durch den Körper strahlte. Und genau diese Ausstrahlung der Wahrheit hatte eine starke Wirkung auf sein Umfeld. Manche Lebewesen, die in seine Präsenz kamen, wurden ebenfalls erleuchtet. Die etablierten Qualitäten Stille, Liebe, Leere und Präsenz der Erleuchtungserfahrung sind ansteckend wie Grippe! Für viele irritierend nannte der Buddha das, was er fand Leere oder “kein Selbst” (Anatman oder Anatta). In anderen Kulturen wurde es als “wahres Selbst” deklariert. Das soll uns aber nicht weiter irritieren. Er entdeckte, dass er nicht sein Ego ist. Ramana Maharshi, ein erleuchtetes Wesen in Indien, übermittelte seinen Bewusstseinszustand am liebsten in Stille ohne Worte. Wer die Stille nicht verstand, für den umschrieb er seine Lehre dann mit Worten.
“Stille ist die Sprache Gottes, alles andere ist nur eine schlechte Übersetzung.” (Rumi)
Bin ich Präsenz?
Viele Menschen erfahren zur Zeit den Perspektivwechsel im Bewusstsein von der Person in die Präsenz. Präsenz ist reines Bewusstsein ohne Identifilation mit Inhalt. Zum Erwachen gehört demnach die Erkenntnis, dass Denken und Bewusstsein nicht identisch sind, wobei der Erkennende Bewusstsein ist und nicht der Denker, wie bei Descartes! Gewahrsein oder Bewusstsein ist der Raum, in dem Denken stattfindet. Der Raum wird sich also seiner selbst bewusst. Viele Menschen nehmen den Raum in dem gedacht und gefühlt wird nicht war, weil er vollgestopft ist mit Inhalt. Wer einmal den endlosen Raum wahrgenommen hat, für den ist der Inhalt nicht mehr so groß. Es ist sehr angenehm, wenn die wahrnehmende Instanz erkennt, dass da Distanz zwischen ihr und der Wahrnehmung ist. Erleuchtung ist schließlich der Zustand, indem die Präsenz konstant aufrecht erhalten wird und wir uns nicht wieder mit Inhalt identifizieren.
Nun zum eigentlich praktischen Teil:
Möchte ich mich selbst erkennen, sollte ich meine Aufmerksamkeit auf mich richten. Statt wie gewöhnlich raus in die Welt, oder bei geschlossenen Augen auf den geistigen Inhalt zu schauen und meinen Fokus an Dinge und Ereignisse zu heften, sollte ich das Licht der Achtsamkeit umdrehen und mich selbst beleuchten. Richte Aufmerksamkeit auf Aufmerksamkeit! Bezeuge den Zeugen! Die entsprechende Frage wäre: „Wer nimmt da eigentlich wahr?“ Die Frage weist auf das wahre Selbst. Sei eins damit!
Wer nur Bahnhof verstanden hat, findet hier nicht nur eine bebilderte Darstellung meiner Worte, sondern die Möglichkeit das Beschriebene zu erfahren.
Samadhi deutsch:
Ein Werkzeug zur Selbsterforschung wird in englisch Self-enquiry genannt. Das bedeutet übersetzt so etwas wie Selbstergründung oder -hinterfragung. Sie wurde von Ramana Maharshi aus Indien als schnellster Weg zur Selbsterkenntnis empfohlen.
deutsch: http://www.sriramanamaharshi.org/downloadbooks/whoami_all_languages/Who_Am_I_German.pdf
englisch: https://www.sriramanamaharshi.org/wp-content/uploads/2012/12/who_am_I.pdf
Hier ist eine wunderschöne Einführung in die Lehre und das Leben von Bhagavan Sri Ramana Maharshi:
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